Teleskopbau, Teil 1: 20 cm Dobson

Es war die Sehnsucht nach den Sternen, die mich zum Teleskopbau brachte. Im Verein hatte ich das Glück, durch einen Newton mit 45cm-Spiegeldurchmesser zu blicken. Am Internationalen Teleskoptreffen in Stumpertenrod waren es sogar 50cm und mehr gewesen. Dabei hatte ich gemerkt: Visuelle Beobachtung von Galaxien und Nebeln war mein Ding. Daher wollte ich ein größeres Teleskop als den 11cm-Spiegel, den ich zu der Zeit besaß. Also baute ich.

Der zweite große Auslöser für den Selbstbau war das Buch: “Das Fernrohr für Jedermann” von Hans Rohr. Ich hatte das Buch zwar einige Jahre zuvor gelesen, hätte aber nach der Lektüre beinahe direkt losgelegt. Und ich weiß, dass es vielen Lesern dieses Buches so ging.

Als ich meinem Vater meine Pläne erklärte, fing er an in seinem Fundus zu suchen. Man muss wissen: Er war Konstrukteur in einem großen optischen Unternehmen in Wetzlar. Daher sammelten sich bei ihm optische Bauteile an. Darunter war ein Spiegel mit 20cm Durchmesser und einer Zentralbohrung, wie man sie aus den Schmidt-Cassegrains beispielsweise der Firmen Meade und Celestron kennt. Diese besitzen jedoch einen Kugelspiegel, keinen Parabolspiegel wie er in einem Newton gebraucht wird. Aber es gab Entwarnung: der Spiegel sollte ein Parabolspiegel sein.

Selbst ein elliptischer Planspiegel war vorhanden, diverse Okulare aus dem Mikroskop- und Fernglasbereich auch.

Unter diesen Voraussetzungen musste ich bauen, es ging doch gar nicht anders!

Klar war auch: Es sollte ein Gitterrohrdobson werden.

Das Prinzip dieser Teleskope ist einfach: Zwei Boxen sind über ein zerlegbares Stangensystem miteinander verbunden. Der Aufbau ist in der Titelgrafik gezeigt, die eine recht genaue Darstellung meines 20cm-Dobsons wiedergibt. Eine der Boxen beinhaltet den Hauptspiegel, die andere den Fangspiegel und den Okularauszug. Die Box mit dem Hauptspiegel ist um eine horizontale und eine vertikale Achse drehbar, wodurch jeder Punkt am Himmel erreichbar wird.

So einfach, so gut.

Die obere Box mit dem Fangspiegel wird auch “Hut” genannt. Mit diesem legte ich los. In zwei quadratische Holzplatten sägte ich je ein Loch mit mehr als 20 cm Durchmesser. Beide Platten brachte ich mit Alustangen auf Abstand. Die Alustangen hatten Querlöcher, durch die dann dünne Gewindestangen gesteckt wurde. Diese fungierten als Fangspiegelspinne und trugen den Spiegelhalter, den mein Vater freundlicher Weise aus Alu baute. Als Verkleidung diente Stoffrest aus dem Automobilbereich: Eigentlich als Velourverkleidung im Innenraum des Autos gedacht, gab der Stoff eine schön lichtschluckende Verkleidung ab.

Die Stangen waren einfach: Hohlstangen aus Eisen mit flachgeklopften Enden und Querbohrungen zum Befestigen.

Die Kiste für den Hauptspiegel war auch recht schnell zusammengezimmert. Der Hauptspiegel wurde auf neun Punkten gelagert, von denen jeweils drei auf einer dreieckigen Platte gelagert waren.

Die Drehung um die horizontale Achse wird mit Hilfe so genannter “Höhenräder” bewerkstelligt. Dies sind Scheiben oder Bögen, die mit Gleitlagern gehalten werden. Einfache Lösung: Runde Teflonschneidbretter aus dem Küchenbedarf. Als Gegenlager dienten Stuhlgleiter. In einen der Stuhlgleiter sägte ich eine Kerbe ein, mit der eines der Schneidbrette geführt wurde.

Soweit ging das alles gut.

Die Erstbeobachtung brachte jedoch zwei schlimmer Erkenntnisse:

  1. Man sollte sich über die Gewichtsverteilung Gedanken machen.
    Die Horizontale Achse saß falsch, der Kopf war zu schwer, die Fangspiegelbox wollte immer zu Boden sinken.
  2. Der Hauptspiegel hatte keine Parabelgestalt. Nach Kugel sah das Beugungsbild jedoch auch nicht aus.

Und diese zwei Punkte sind es, die dem Teleskop seine beiden Spitznamen verlieh:

Die “Bleiente” und der “Newton-Newton”

Es half ja alles nichts: Die Fangspiegelbox konnte ich nicht mehr leichter machen. Den Drehpunkt um die horizontale Achse konnte ich auch nicht weiter verlegen. Blieb nur, die Kiste mit dem Hauptspiegel schwerer zu machen.

Also besorgte ich im Baustoffhandel Blei, wie es für an den Rahmen von Dachflächenfenstern genutzt wird. Auf die Frage des Verkäufers, wozu ich denn das Blei brauche, antwortete ich wahrheitsgemäß “für ein Teleskop”.

Der Blick von ihm war einfach genial. Und dann war er so begeistert, dass er mir das Material fast noch geschenkt hat.

Das nachfolgende Bild zeigt einen Blick in die Hauptspiegelkiste. Der Hauptspiegel befindet sich nicht mehr im Teleskop sondern irgendwo in meinem Fundus. Das Blei ist gut zu erkennen, außerdem der lichtschluckende Stoff.

Doch was konnte ich mit dem Hauptspiegel machen?

Ich fand einen Gummiring im Hause, der ungenutzt herumlag. Er hatte eine Dicke von etwa einem Zentimeter, der Durchmesser lag bei 17 cm.
Eigentlich hatte der Spiegel auf den Dreiecken gelegen und war von einer Schlaufe aus Rollladengurt in Position gehalten worden. Nun legte ich auf die Dreiecke eine Holzplatte, aus der eine Gewindestange M8 ragte. Auf die Platte kamen dann zunächst der Ring, dann der Spiegel – und eine Druckplatte, die auf den Innenrand des Spiegels drückte.
Das nachfolgende Foto zeigt diesen Gummiring:

Und siehe da: Das Teleskop war nun ausgewogen. Und darüberhinaus: Es gelang mir mit der Druckplatte, eine vernünftige Abbildung zu erzeugen! Die Sterne wurden brauchbar gut!

Im Vergleich mit dem Vereins-C8 zeigte sich am Sternenhimmel Erstaunliches. Zwar wirkte das Bild im C8 noch schärfer. Doch die Details in Galaxien waren im Grunde gleich. Mit diesem Teleskop würden Planeten und Mond wenig Freude bereiten. Aber Deep-Sky-Objekte, also Gasnebel, Galaxien und Sternhaufen, würden zugänglich sein.

Etwa drei Jahre lang hatte ich dieses Teleskop im Dauereinsatz und habe in dieser Zeit wirklich viel gesehen.

Eine spezielle Beobachtung lässt sich vielleicht in der Form nie wieder wiederholen und geht auf einen Gedanken von Stefan Schuchhardt zurück.

Es war an einem Abend, an dem wir den spektakulären Kometen Hyakutake beobachteten. Dieser war schon über die beste Sichtbarkeit hinaus und stand in nördlicher Richtung. Im Osten stand das Sternbild Schwan. Und ihm stand ein weiterer Komet des Beobachters Hyakutake. Auf diesen hatte ich die Bleiente ausgerichtet.

Stefan blickte durch das Teleskop und werkelte etwas an dem Tuch an der Fangspiegelkiste herum. Und sagte schließlich: “Ja, es geht”.

Wir blickten dann in zweifacher Form durch das Teleskop: Mit einem Auge durch das Okular und sahen damit den ersten Hyakutake. Und mit dem anderen Auge blickten wir durch die Fangspiegelkiste und sahen mit bloßem Auge (aber eben auch durch das Teleskop, wenn auch quer zum Strahlengang) den zweiten Hyakutake.
Zeitgleich zwei Kometen des gleichen Beobachters durch ein Teleskop zu sehen – ich denke, das ist sehr selten.

Fazit
Trotz schlechter Optik habe ich sehr viel vom Himmel gesehen, unvergessene Beobachtungen gemacht. Beim Bau und Betrieb lernte ich sehr viel – und hatte insgesamt wahnsinnig viel Spaß. Das Teleskop ist jedoch zerlegt, weshalb ich leider keine Fotos der kompletten Bleiente mehr habe. Aber eine dankbare Erinnerung, die nicht verblasst.

Hier noch eine Kollage mit einigen Einzelheiten:

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