Tage mit vielen Stunden Sonnenschein oder zumindest Helligkeit sind für die allermeisten Menschen sehr gut. Der Sonnenschein hilft dem Immunsystem, das Schlafbedürfnis sinkt und der Körper bildet Gute-Laune-Stoffe. Die Hobbyastronomen im Norden und in der Mitte der Republik haben jedoch ein Problem: die Sonnendepression.
Der Begriff “Sonnendepression” bezeichnet die Tiefe unter dem Horizont, die die Sonne auf ihrem täglichen Lauf erreicht. Das Problem ist nun, dass diese im Sommer nicht mehr für Deep-Sky-Beobachtung ausreicht oder diese zumindest erheblich einschränkt.
Beispiel:
Ich lebe auf einer nördlichen Breite von etwa 53,5 Grad. Zur Sommersonnenwende steht die Sonne bei einer Deklination von 23,5 Grad. Daher taucht die Sonne in der Nacht maximal (90 – 53,5 – 23,5) Grad = 13 Grad unter den Horizont.
Was bedeutet das?
Es gibt nun drei Arten von Dämmerung, die sich im Unterschreiten des Horizonts durch die Sonne unterscheiden:
Bürgerliche Dämmerung: die Sonne steht 6 Grad unter dem Horizont; die hellsten Planeten und Sterne sind mit bloßem Auge sichtbar
Nautische Dämmerung: die Sonne steht 12 Grad unter dem Horizont; Sternbilder sind bereits erkennbar, die Horizontlinie ist jedoch noch sicher zu sehen (wichtig für die Navigation auf dem Meer)
Astronomische Dämmerung: die Sonne steht 18 Grad unter dem Horizont; Deep-Sky-Beobachtung, insbesondere visuell, ist erst kurz vor und nach Beginn der astronomischen Dämmerung möglich.
In diesem Jahr beschäftigte mich nun die Frage, wann setzt die astronomische Dämmerung an meinem Wohnort überhaupt noch ein? Aus der Praxis der letzten Jahre war mir bekannt, dass schon weite Teile des Monats Mai für Deep-Sky-Beobachtung weitgehend unbrauchbar sind.
Heutzutage gibt es gute Hilfsmittel, um diese Frage zu beantworten. Eines ist die Website CalSky, die eine Vielzahl von astronomischen Berechnungen erlaubt, u.a. die Dämmerungszeiten. Mehr als Spielerei hatte ich jedoch mit einer grafischen Bestimmung begonnen. Mit Zirkel und Geodreieck gelang es mir, die Zeiten zu bestimmen. Danach nutzte ich Vektorrechnung der Oberstufen- und Erstsemestermathematik. Bei Gelegenheit stelle ich diese beiden Methoden mal ausführlicher dar.
Für heute jedoch möchte auf etwas anderes hinweisen: die Geschwindigkeit, mit der die astronomischen Nächte verschwinden.
Folgende Grafik zeigt die Anzahl der Minuten, für die die Sonne innerhalb einer Nacht tiefer als 18 Grad unter dem Horizont steht:
Die Länge ist in Minuten und als blaue Datenpunkte angegeben.
Zwischen 8. Mai und 10. Mai sinkt diese Länge von 2h 16m auf 1h 50m. Am 11. Mai sind es immer noch gut anderthalb Stunden, die zur Verfügung stehen.
Doch dann geht es rasant.
Am 13. Mai ist es schon weniger als eine Stunde astronomisch Nacht und am 14. Mai schließlich sinkt die Sonne gar nicht mehr tief genug. Es wird astronomisch nicht mehr dunkel.
Dass Mitte Mai spätestens Schluss ist, deckt sich gut mit meiner Erfahrung. Dass es jedoch innerhalb einer Woche so massiv bergab geht, war mir nicht bewusst.
Ich habe mir dann noch überlegt, trotzdem im Juli (vielleicht sogar im Juni) nach stellaren planetarischen Nebeln in der südlichen Milchstraße zu schauen. Einen Versuch ist es wert, denn solche Beobachtungen gelangen mir auch schon bei Vollmond. Soll es doch ruhig über dem Nordhorizont und im Zenit dämmern, dann gucke ich halt flach in Richtung Süden.